Jeder Mensch ohne abgeschlossene Berufsausbildung ist für die Gesellschaft ein Verlust
Offenbach | Der QuABB-Ausbildungsbegleiter Jürgen Matthäus (62) geht nach mehr als zwanzig Jahren pädagogischer Arbeit in den Ruhestand. In den letzten fünf Jahren hat er an der August-Bebel-Schule in Offenbach QuABB ein besonderes Profil verliehen. Zeit, dem engagierten Pädagogen fünf Fragen rund um seine Arbeit und zu gesellschaftlichen Herausforderungen in der Jugendarbeit und der Berufsausbildung zu stellen.
1. Wie bist Du eigentlich dazu gekommen, Schulsozialarbeiter beziehungsweise QuABB- Ausbildungsbegleiter zu werden?
Nachdem ich Sozialarbeit studiert habe, habe ich in verschiedenen Bereichen gearbeitet. Irgendwann gab es das Projekt Berufseinstiegsbegleitung an Schulen, worauf ich mich beworben habe und in die Arbeit an Schulen eingestiegen bin. Daraus hat es sich dann am Ende dieses Projektes ergeben, dass ich in der August-Bebel-Schule für das Projekt QuABB angefangen habe.
2. Als erfahrener Ausbildungsbegleiter und Schulsozialarbeiter hast Du oft Kontakt mit herausfordernden Situationen im Leben von Jugendlichen gehabt. Wo siehst Du besonderen gesellschaftlichen Handlungsbedarf?
Es gibt zu viele junge Menschen, die ohne Schulabschluss und ohne Ausbildung in das eigene Leben starten. Das ist sowohl für die jungen Menschen schade, weil sie ihre Möglichkeiten nicht ausschöpfen und vor allem nicht in den Genuss kommen, ein Fachmann oder Fachfrau für irgendetwas zu sein. Das ist so eine tolle Sache, die sich auch finanziell für diese Menschen auszahlt. Außerdem ist das für die Gesellschaft ein Verlust. Menschen ohne Ausbildung sind öfter arbeitslos und benötigen häufiger die Unterstützung durch andere.
3. Nach so vielen Jahren Ausbildungsbegleitung: Welche ganz besondere Geschichte aus dem Schul- und Ausbildungsalltag behältst Du in besonderer Erinnerung?
Ich habe mal eine Zeitlang einen jungen Menschen unterstützt, dessen Traum es war, Fahrräder zu reparieren. Schule war ihm jedoch immer verhasst gewesen. Nach einem langen steinigen Weg hat er sein Ziel erreicht und seine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Als ich ihn das letzte Mal getroffen habe, haben wir so miteinander geplaudert, wie es gute Freunde tun und ich dachte „Wow“ – was für eine Entwicklung zu einem reifen, erwachsenen jungen Mann, der Mitten im Leben steht.
4. Gibt es etwas rund um das Thema Ausbildung und Jugendarbeit, das Dich beschäftigt oder nachdenklich macht?
Was mich immer wieder sehr beschäftigt, ist die Situation von Migrant*innen in Ausbildung, insbesondere wenn ihre prekäre Aufenthaltssituation zu Schieflagen führt. Es kommt leider vor, dass junge Menschen mit einer Duldung in Ausbildungsbetrieben unter schwierigen Bedingungen arbeiten und nur begrenzt Unterstützung erfahren. In solchen Konstellationen scheint die Vermittlung von Ausbildungsinhalten manchmal in den Hintergrund zu treten, während der Fokus stärker auf der Arbeitskraft der Auszubildenden liegt. Das führt dazu, dass diese Auszubildenden auf ihre Abschlussprüfung unzureichend vorbereitet sind. Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert, wenn gemeinsam mit den zuständigen Kammern noch gezielter an Lösungen gearbeitet wird, um diese jungen Menschen besser zu begleiten und zu stärken.
5. Zum Schluss: Welche Tipps gibst Du Auszubildenden, damit Ausbildung gut gelingt?
Es ist eine tolle Sache, wenn man eine Fachfrau oder ein Fachmann für ein bestimmtes Spezialgebiet ist. Vielen jungen Menschen wird das in der Ausbildung nicht so bewusst, weil sie natürlich im Ausbildungsbetrieb immer mit Fachkräften zusammen sind. Aber wenn einem das klar ist, macht das Lernen sehr viel mehr Spaß. Außerdem zahlt sich jedes Quäntchen Wissen später als Ausgelernte in den Gehaltsverhandlungen aus.
Die Fragen stellte der QuABB Ausbildungsbegleiter Miguel Escosa Jung