Mit geschlossenen Augen durch Frankfurt: Entdecken, was wir sonst nicht sehen

Frankfurt | Im Rahmen eines ganz besonderen Klassenausflugs besuchte die PUSCH-Klasse der Merianschule in Begleitung ihrer Klassenleitung und ihrer PUSCH-Coachin das Dialogmuseum in Frankfurt am Main – ein Museum, das die Wahrnehmung der Welt auf eine ganz neue Weise ermöglicht: In völliger Dunkelheit. Dieser Ausflug war nicht nur eine spannende Entdeckung, sondern auch das Ergebnis intensiver Vorarbeit im Unterricht. In den Wochen vor dem Besuch setzten sich die Schülerinnen und Schüler mit den Einschränkungen auseinander, die Sehbehinderungen mit sich bringen, und überlegten, wie sie im Alltag Unterstützung erhalten können. Mithilfe von Arbeitsblättern und gemeinsamen Diskussionen entwickelten sie ein tieferes Verständnis für die Herausforderungen, denen sich Menschen mit Sehbehinderung stellen müssen.

Sie waren gespannt darauf, ihre zuvor theoretisch erarbeiteten Erkenntnisse in einer völlig neuen Form der Wahrnehmung zu erleben. Ausgestattet mit diesem Wissen gingen sie mit offenen Augen – und dann bald mit geschlossenen – in ein Erlebnis, das sie herausfordern und ihre Sichtweise auf die Welt verändern würde.
Im Museum angekommen, wurden die Jugendlichen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern freundlich empfangen. Nach einer kurzen Einführung erklärten diese, was die Schülerinnen und Schüler in der Ausstellung erwarten würde. Mit speziellen Brillen konnten sie nachempfinden, wie sich unterschiedliche Augenkrankheiten auf das Sehen auswirken. An interaktiven Stationen wurden außerdem ihre anderen Sinne herausgefordert.
Anschließend wurde die Gruppe in einen Vorraum geführt, in dem nur noch schummriges Licht brannte. Dieser Raum diente dazu, dass sich ihre Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnen konnten. Die Stimmung war ruhig und gespannt – viele waren neugierig, andere ein wenig nervös. Als das Licht schließlich vollständig ausgeschaltet wurde, betrat ihre Guide den Raum. Die junge Frau mit Sehbehinderung, die die Klasse durch die Ausstellung begleiten würde, stellte sich in völliger Dunkelheit vor. Mit ruhiger und einfühlsamer Stimme erklärte sie den Ablauf der Tour – und nahm den Jugendlichen schnell die anfängliche Unsicherheit.
Mit einem Blindenstock ausgestattet, erkundeten die Schülerinnen und Schüler in zwei Gruppen verschiedene Bereiche Frankfurts – natürlich rein imaginär, aber intensiv erfahrbar. Sie begannen im Park, wo sie sich auf unterschiedliche Untergründe orientierten und lernten, sich auf ihre Sinne zu verlassen. Dabei wurden sie dazu angeregt, die Geräusche der Natur bewusst wahrzunehmen und zu beschreiben, was sich in ihrer Umgebung befinden könnte – etwa das Rauschen der Blätter oder das Zwitschern der Vögel und das Plätschern eines Flusses. Diese Übungen halfen ihnen, ihre Wahrnehmung zu schärfen und sich auf Geräusche und Gerüche zu konzentrieren. Danach ging es in ein Kino, in dem sie einen Film mit Audiodeskription erlebten. Anschließend reflektierten sie, wie es war, nichts zu sehen und dennoch eine Vorstellung vom Filmgeschehen zu entwickeln. Gemeinsam diskutierten sie auch die Unterschiede zu einem Film, den man mit den Augen sieht.
Weiter ging es mit einer simulierten Fahrt durch die Stadt, bei der die Jugendlichen das Einsteigen in eine Bahn sowie das Finden eines Platzes ohne visuelle Hilfe erprobten. Auch das Überqueren einer Straße und das Erkennen einer grünen Ampel ohne Sicht wurden trainiert. Nach der Zugfahrt besuchten die Schülerinnen und Schüler einen Marktstand, an dem verschiedene Produkte ausgestellt waren. Hier sollten sie die Gegenstände mit ihrem Tastsinn erkunden und beschreiben, was sie erfühlen konnten. Diese Aufgabe förderte nicht nur ihre Kreativität, sondern auch das Vertrauen in ihre anderen Sinne.
Zum Abschluss besuchten die Schülerinnen und Schüler eine Bar, in der sie alkoholfreie Getränke bestellten und sich einen Sitzplatz suchten – ganz ohne Augenlicht. Dabei bestand die Herausforderung unter anderem darin, bereits belegte Plätze zu erkennen, ohne sich oder andere zu verletzen.

Durch den Besuch im Dialogmuseum haben die Jugendlichen nicht nur einen tieferen Einblick in das Leben von Menschen mit Sehbehinderung erhalten, sondern auch Empathie für die Herausforderungen entwickelt, mit denen diese Menschen täglich konfrontiert sind. Der Ausflug hat ihnen gezeigt, wie wichtig es ist, Barrieren zu überwinden und sich in die Lage anderer zu versetzen. Ein Erlebnis, das das Bewusstsein für andere Perspektiven und Einfühlungsvermögen stärkte.

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